IV. Worin sich Rechenschwäche zeigen kann?
Ist Ihr Junge im Rechenunterricht wesentlich schlechter als in Deutsch? Ist Ihre Tochter darin zwar ähnlich gut, hat aber unverhältnismäßig mehr damit zu kämpfen, dass sie mitkommt?
Dann beobachten Sie Ihr Kind. Stellen Sie fest, welche Fehler es macht und wo es nicht mehr weiter weiß. Achten Sie vor allem auf mathematische Lernschwierigkeiten der Art, wie sie im Folgenden aufgelistet sind. Sie können ein Hinweis darauf sein, dass eine Dyskalkulie vorliegt:
- Kann Ihr Kind räumliche Beziehungen erfassen?
Verwechselt es rechts/links, oben/unten, hinten/vorn? - Kann es mit Zeitangaben umgehen?
Verwechselt es Stunden, Minuten, Sekunden?
Hat es nur ungenaue Vorstellungen von Wochen, Monaten, Jahren? - Kann Ihr Kind mit Geldbeträgen umgehen?
Kann es beispielsweise Wechselgeld nachprüfen? - Überschaut Ihr Kind kleinere Mengen, ohne abzählen zu müssen?
- Verwechselt es Begriffe wie mehr/weniger, das Doppelte/die Hälfte, ein Teil/das Mehrfache, aber auch Begriffe wie länger/kürzer, schwerer/leichter, schneller/langsamer, früher/später?
- Verwechselt es Ziffern (4/5 oder 6/9)? Schreibt es Ziffern von unten her oder seitenverkehrt (3 ähnelt einem gerundeten E, 6/9)?
- Ist Ihr Kind in der Lage, die Zahlenreihe von 1 bis 10 auch rückwärts aufzusagen?
- Beherrscht Ihr Kind Stellenwerte und Zahlenaufbau? Verwechselt es z.B. 12/21, 13/31?
- Schreibt es die Zahlen „nach Gehör“ falsch: zum Beispiel bei der 65 erst die 5 und dann die 6, also 56?
- Hat Ihr Kind Schwierigkeiten bei Zehner-, Hunderter-, Tausender- usw. -Übergängen?
- Bewerkstelligt es Addition und Subtraktion nur durch Abzählen?
- Werden die Rechenoperationen verwechselt? Rechnet es z.B. 10 • 10 = 20, 3 + 3 = 9?
- Ist Ihr Kind in der Lage, eine gegebene Sachaufgabe in den richtigen mathematischen Lösungsweg zu transformieren oder sucht es sich auf „gut Glück“ irgendeine Rechenart aus?
Addiert es beispielsweise, wo subtrahiert werden müsste?
Die Frage, ob ein Kind grundlegende Defizite auf dem Gebiet des quantitativen Denkens aufweist, ob also eine Dyskalkulie vorliegt, kann nur durch eine ausführliche fachliche Untersuchung geklärt werden. Denn zum einen treten nicht alle Schwierigkeiten immer voll in Erscheinung und zum anderen kommen viele dieser Fehlleistungen bei jedem Kind, das Rechnen erst noch lernt, mehr oder weniger häufig vor. Für den Fall, dass bei ihrem Kind zwei oder mehr der oben genannten Schwierigkeiten auftreten, sollten Sie sich durch einen Test Gewissheit verschaffen. Für die weitere Förderung Ihres Kindes ist es sehr entscheidend, ob es nur einen bestimmten Schritt nicht verstanden hat oder ob seine Schwierigkeiten grundlegender Art sind.
Im letzteren Fall kann dem Kind ein überflüssiger und sehr zermürbender Leidensweg erspart werden, wenn die Dyskalkulie frühzeitig erkannt und therapiert wird. Bei der Früherkennung kommt Ihnen dabei die wichtigste Rolle zu, vor allem in den unteren Klassen. Der Lehrer kann unmöglich erkennen, ob hinter den richtig gerechneten Hausaufgaben in Wirklichkeit die große Schwester steckt, und die kleine Schwester wird aus Scham davon nichts erzählen. Aber Sie wissen es: Kommt Ihre Tochter von sich aus auch auf richtige Ergebnisse? Schreibt Ihr Sohn nur das mit Zuversicht nieder, was jemand anders ausgerechnet hat? „Diktieren“ Sie Ihrem Kind die richtigen Lösungen? Es hilft Ihrem Sprössling nicht weiter, wenn er mit Ihrer Hilfe zu Hause die Lösungen büffelt und diese dann in der Schule korrekt auswendig hersagen kann. Er kann so vielleicht seine Dyskalkulie vor Lehrern und Mitschülern eine Zeit lang verbergen – behoben wird sie dadurch nicht.
Für den Erfolg der Therapie hängt sehr viel davon ab, dass eine Rechenschwäche möglichst frühzeitig erkannt wird. Zwei Dinge sind dafür ausschlaggebend: Zum einen können Versagensängste und Misserfolgsorientierung in so jungen Jahren die gesamte seelische Entwicklung eines Kindes schwer beeinträchtigen, Zum andern ist in den ersten Schuljahren der Abstand zum aktuellen Schulstoff noch nicht so groß und therapeutische Erfolge können sich schneller in Schulerfolgen niederschlagen. Und Erfolg ist immer noch der wirksamste Motor, um Lernmotivation und Selbstvertrauen wiederherzustellen
Aber auch bei älteren Kindern und Jugendlichen, die sich schon seit einigen Jahren mit einer verschleppten Dyskalkulie und ihren Folgen herumschlagen, ist noch längst nicht „alles zu spät“. Hier steht zunächst die diagnostische Erfassung der mathematischen Kompetenz im Vordergrund, Das vorhandene Wissen wie auch die Lücken und die falschen Sicherheiten, vor allem im mathematischen Grundlagenbereich, müssen genau bekannt sein, damit man gezielt mit der Erarbeitung der notwendigen Bereiche beginnen kann.
Die betroffenen Jugendlichen oder Heranwachsenden leiden in der Regel schon lange unter Minderwertigkeitsgefühlen und Versagensängsten, die sie so gut wie möglich zu verbergen suchen. Es ist für sie beruhigend und eine entscheidend positive Perspektive, wenn sie die Chance bekommen, ihre Defizite in diesem Bereich abzubauen oder zumindest zu verringern, bevor sie ins Berufsleben gehen.
Hinweise auf eine Rechenschwäche siehe:
Symptomfragebogen für Eltern rechenschwacher Kinder.pdf
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