In der „Internationalen Klassifikation psychischer Störungen“ der Weltgesundheitsorganisation ist Dyskalkulie definiert als eine „umschriebene Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eindeutig unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten…“ (F81.2 unter „Entwicklungsstörungen“).
Gemeinsam ist allen Betroffenen, dass ihr Verständnis für Mengen und Größen, für die Beziehungen von Quantitäten und die Operationen mit ihnen mangelhaft entwickelt ist. Dabei kann die Dyskalkulie, je nach Alter, aber auch innerhalb einer Altersstufe, in sehr verschiedenen individuellen Ausprägungen vorliegen. Die folgende Aufzählung kann also keine Vollständigkeit beanspruchen, auch müssen im Einzelfall, vor allem bei älteren Kindern, längst nicht alle Bereiche betroffen sein.
Häufige Charakteristika einer Dyskalkulie:
Pränumerische Voraussetzungen: Schwierigkeiten in Wahrnehmung und räumlicher Durchgliederung, vor allem mit rechts/links; spiegelverkehrte Schreibweise; Länge, Breite, Höhe nicht unterscheidbar; Richtung oder Reihenfolge kann nicht eingehalten werden; Probleme mit Lückenaufgaben und inversen Fragestellungen.
Zahlbegriff: Rein mechanisches Zählen ohne Mächtigkeitsbegriff; Verwechslung von Anzahl mit räumlicher Ausdehnung; Verwechslung von Zahl und Ziffer, von Ordinal- und Kardinalzahl; Unklarheit bezüglich des Prinzips der Einheit beim Messen; Unverständnis von Differenzen („um wie viel mehr/weniger“).
Zahlaufbau: Zahlendreher gemäß akustischer Reihenfolge; Homogenität des Zahlbegriffs fehlt; Zusammenhang von Ziffern- und Stellenwert, Bedeutung der Null unklar; kaum Größenvorstellungen bei Zahlen über 20 bzw. 100 und bei Dezimalbrüchen.
Rechenoperationen: Ihr innerer Zusammenhang wird nicht verstanden, daher vielfältige Verwechslungen; Umkehrung von Zahlverknüpfungen; Subtraktion und Division oft völlig unbegriffen, bei Jüngeren auch Teilen im vormathematischen Sinn.
Sachaufgaben: Sachaufgaben werden in ihrem mathematischen Gehalt nicht verstanden; Verwechslung von „Geld ausgeben“ und „Geld übrig haben“, auch im Alltag; Einheiten (€, Stückzahl, m) werden verwechselt; es werden „auf gut Glück“ die vorkommenden Zahlen addiert; Auswahl der notwendigen Rechenoperation assoziativ oder durch Raten; Frage und Antwortsatz passen nicht zusammen.
Weiter zu: Eine Dyskalkulie bleibt oft unerkannt